13. The Magic Towel 2001

 

Arbeitstagung der Zootierärzte im deutschsprachigen Raum, Halle, 2001

 

Das magische Handtuch

Sven und Catrin Hammer, Al Wabra Wildlife Preservation

Hinter diesem, etwas ungewöhnlichen Titel verbirgt sich eine recht einfache, aber effiziente Therapiehilfe bei Gazellen.

All diejenigen, die mit Gazellen arbeiten wissen, dass  diese Tiere oft nicht einfach im Umgang sind, ja zu einer wahren Herausforderung werden können, spätestens, wenn man sie als Patient zu betreuen hat. Unser zahlenmässiger Bestand von momentan 1200 Wildwiederkäuern bringt es mit sich, dass immer wieder Krankheits- und Verletzungsfälle auftreten, die stationär behandelt werden müssen. Hier treten nun die ersten Schwierigkeiten auf: Wie wird man seiner Patienten habhaft und zwar lebendig?

Eine Möglichkeit stellt die Distanzimmobilisation dar, welche aber ihre Risiken und Schwierigkeiten mit sich bringt. Immerhin gilt es, in unserer Einrichtung, ein Tier mit einer Lebendmasse von 15- 20 kg auf 30-40 Meter tierschonend zu treffen. Alternativ bietet sich das Fangen mit Netzen an, was aber ebenfalls   nicht risikolos ist. Die nächste Möglichkeit wären stationäre Fangeinrichtungen, die wiederum mit einem hohen baulichen Aufwand verbunden sind und sich nicht überall installieren lassen. In unserer täglichen Praxis wenden wir Kombinationen der genannten Fangmöglichkeiten an. Dieses bringt befriedigende  Ergebnisse, aber nur bei einmaligen Behandlungen. Das Problem entsteht, wenn die Therapie eine mehrtägige oder längerfristige Behandlung erfordert. Die Tiere müssen dann separat aufgestallt werden. Aufgrund des meist sehr nervösen Wesens der Tiere ist jedes Betreten der Boxen ein grosses Risiko, da immer mit panischen Fluchtreaktionen gerechnet werden muss, was Nachbehandlungen oft sehr erschwert. Wiederholte Anästhesien und auch der Einsatz von Longacting Tranquilizern brachte  keine befriedigenden  Ergebnisse.

 Wie nun kann man den Tieren Gutes tun, ohne mehr Schaden, als Nutzen zu provozieren? Die Lösung unseres Problems war dann so einfach, wie genial : Ein Küchenhandtuch und eine Gummizelle!Â

Zunächst zur Erklärung der Gummizelle:

wir haben Stallboxen  auf 2m Länge und 1m Breite umgebaut. Die Wände  haben wir mit Gummimatten ausgekleidet. Nach kurzer Zeit zeigte sich, dass sich die Tiere auf dem Betonboden, trotz dicker Einstreu, bei Aufstehversuchen, immer wieder Schürfwunden zuzogen. Wir tauschten Einstreu gegen Teppich, was zwar das Reinigen erschwerte, dafür aber vor Verletzungen schützte. Die Höhe der Boxen beträgt 1,80m.Â

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Tiere aufgrund der Enge der Boxen, normalerweise keine Fluchtreaktionen zeigen. Sollte allerdings doch einmal ein sehr sprungfreudiger Patient anstehen, können Ausbruchsversuche durch einfache Abdeckung, der nach oben offenen Box, leicht vereitelt werden..

Soweit zum Aufbau der Krankenboxen. Was blieb, war weiterhin das Problem des „Greifens“ zu Behandlungszwecken. Nach einigen Experimenten, die mehr oder weniger erfolgreich waren, setzte sich ein einfacher, aber genialer Trick durch: ein  ordinäres Küchenhandtuch als Augenblende verwendet! Dazu wird es diagonal gefaltet, wobei 2 Spitzen entstehen, die dann bei der Anwendung genau die Augen bedecken sollen.

Das Anlegen erfordert viel Fingerspitzengefühl. Man betritt die Krankenbox und  bewegt sich langsam und ruhig auf das Tier zu, das Handtuch mit ausgestrecketen Armen so gehalten, dass ein direkter Blickkontakt mit dem

Tier vermieden wird. Hat man das Tier erreicht, muss im letzten Moment  das Bedecken der Augen zügig erfolgen. Anschliessend wird das Handtuch hinter den Ohren verknotet. Und nun entfaltet sich, die fast magisch anmutende Wirkung des Handtuchs:

Die Tiere werden ruhig und legen sich meist sogar ab. Problemlos ist nun eine Fixierung für kleinere Behandlungen, wie: Blutentnahme, Infusionen, Injektionen und sogar einfache Klauenbehandlungen möglich. Nach erfolgter Behandlung wird das Tuch langsam entfernt. Die Tiere bleiben ruhig und zeigen auch dann kein Fluchtverhalten.

Diese Art der Therapiehilfe haben wir, bei Einzeltieren zum Teil über Wochen durchgeführt.

Grundsätzlich werden bei unseren eingestallten Patienten täglich einmal die Augen verbunden. Während dieser Zeit wird die Box gereinigt und mit frischem Futter bestückt. Anstehende Behandlungen werden zu derselben Zeit ausgeführt, um die Tiere nicht unnötig häufig in die Hand nehmen zu müssen. Aufgrund dieser einfachen Fixationsmethode konnten unsere Behandlungserfolge erheblich gesteigert werden. Wir möchten aber darauf hinweisen, dass der „ magische Effekt “ bei gesunden Tieren nur begrenzt seine Wirkung entfaltet. Auch sollte die Dauer der Boxenhaltung auf die individuelle Stressempfindlichkeit abgestimmt werden. Als Indikator hierfür setzen wir  Futtermonitoring und regelmässige Gewichtskontrollen  ein. Â

Anschrift der Verfasser:

Catrin Hammer und Dr. Sven Hammer, Al Wabra Wildlife Preservation,
P.O. Box 7935, Doha, State of Qatar,

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