14. Arabian way of Gazelle keeping 2003

Arbeitstagung der Zootierärzte im deutschsprachigen Raum, Halle, 2001

Arabische Gazellenhaltung und Ihre Probleme am Beispiel der Rheem Gazelle (gazella subgutturosa marica)

Sven und Catrin Hammer, Al Wabra Wildlife Preservation

“Al Wabra Wildlife Preservation” liegt in dem Golfemirat Qatar und ist ein circa 360 ha großes privates Areal. Vor ca. 50 Jahren von Sheikh Mohammed Al Thani, dem Vater des heutigen Eigentümers, als Wochenendresidenz ins Leben gerufen, ging Al Wabra zunächst durch die Hände der beiden ältesten Söhne, bis dann 1996 Sheikh Saoud Al Thani, die bis dahin schon stattlich angewachsene Tierkollektion, vornehmlich bestehend aus Antilopen und Gazellen, übernahm. Seine Vorliebe für sensible Spezies machten ein professionelles Management unumgänglich. Im Jahr 2000 folgten drei Deutsche, nämlich  eine Säugetierkuratorin, ein Vogelkurator und ein Tierarzt dem Ruf in die Wüste. Das Gerüst eines neuen Managements stand. Inzwischen wurde dieses Team international verstärkt. Nun betreuen 2 Tierärzte, ein Veterinärassistent, 2 Kuratoren, 3 Biologen und 30 Pfleger die ca. 2000 Tiere in 114 verschiedenen Spezies, Schwerpunkt Gazellen und Vögel. Internationale Kooperation mit anderen Zoologischen Einrichtungen findet statt und erste Tiere wurden bereits ausgetauscht.
Wie lernten wir die arabische Gazellenhaltung kennen?

Nach dem einfachen Sammelprinzip wurden viele Tiere in unterschiedlich großen, sehr einfachen Gehegen gehalten. Es wurde nach dem Grundsatz gehandelt: „allein Allah entscheidet über Leben oder Tod“.

Am Beispiel der Arabischen Kropfgazelle (Gazella subgutturosa marica), auch Rheem-Gazelle genannt, soll nun der Aufbau und die praktische Durchführung eines Zuchtmanagements erläutert werden. Kurz zum Status der „Arabischen Kropfgazelle“:

Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet dieser sehr auffälligen Gazellenart ist die Arabische Halbinsel. Früher sehr zahlreich, heute aufgrund von motorisierter Jagd, Umweltverschmutzung, Fragmentation der Lebensräume, Überweidung durch domestizierte Tiere, immer seltener anzutreffen. Die Zahl der freilebenden Gazellen wird auf 4000-5000 geschätzt. Die Anzahl der in Gefangenschaft gehaltenen Tiere ist nicht genau bekannt. Es wird aber davon ausgegangen, daß weltweit noch etwa 20000 Tiere existieren. Die IUCN hat die Rheemgazelle als vulnerable eingeordnet.

Wir haben fünf Punkte aufgeführt, die die größten Missstände und ihre Lösungen aufzeigen :

1.Gehegestruktur: Die Gehege waren entweder zu klein und schlecht strukturiert, oder zu groß und / oder zu stark strukturiert. Beides hatte seine Nachteile: bei den zu kleinen Gehegen waren die Gruppen sehr nervös, da sie keine Möglichkeit hatten sich, oder dem Menschen auszuweichen. Die Problematik bei den zu großen Gehegen lag darin, dass es fast unmöglich war die Tiere zu kontrollieren, da sie sich permanent versteckten.

Ein weiteres Problem stellte die Gehegebegrenzung dar: ein einfacher Maschendrahtzaun ließ ein Gehege an das andere grenzen. Das Resultat waren übernervöse Tiere (springt eine Gruppe in Gehege 1 auf und rennt, dann tun das auch noch die Tiere in Gehege 8), Knochenbrüche, Kämpfe durch die Zäune und immer wieder Tiere in fremden Gehegen, da die Zäune nachgegeben haben.

Unsere Lösung sah so aus, dass wir, wo immer möglich Korridore von 3m Breite erstellt haben, die dicht bepflanzt wurden. Dadurch erzielten wir gleich dreierlei Vorteile: die Bepflanzung stellt eine Sichtbarriere zwischen den einzelnen Gehegen dar, liefert Schatten, und  zusätzlich noch Futter. In den Bereichen, wo solche Korridore nicht durchführbar waren, haben wir den Maschendrahtzaun bis zu einer Höhe von einem Meter durch eine Mauer ersetzt. Die ersten Sichtschutzversuche mit Palmwedeln, Schattennetzen oder Segeltuchbahnen scheiterten zumeist daran, dass die Tiere alles fraßen….

Das Resultat auch hier wieder: weniger Verletzungen, ruhigere Gruppen, bessere Aufzuchtsergebnisse und weniger Tote.

2.Gruppenstruktur: Die Gruppenstruktur zeigte zum Teil mehr als 70% männliche Tiere in einer Gruppe. Daraus resultierten viele Verletzungen und Todesfälle aufgrund von Rangkämpfen und wenig überlebende  Jungtiere aufgrund des Sozialstresses.

Wir lösten dieses Problem, indem wir Zuchtgruppen zusammenstellten, die nicht mehr als 1.8 adulte Tiere umfassen. Alle überzähligen Böcke wurden in ein großes „Junggesellengehege“ verbracht.

Seit diesen Gruppenumstrukturierungen sind Todesrate und die Zahl der Verletzungen durch Kämpfe erheblich zurückgegangen. Die Gruppen sind ruhiger und es werden nahezu alle Neugeborenen aufgezogen.

3.Ernährung: Die traditionelle Fütterung aller Wiederkäuer in arabischen Ländern, besteht aus „shwar + shaeer“, Weizenkleie und Gerste, dazu kein Raufutter! Aus ökonomischen Gründen wurden die Tiere dann ad libitum gefüttert. Alle drei Tage wurde nachgefüllt. Um das  Ganze noch zu verstärken, standen oft nicht mehr als ein bis zwei Futter- und Tränkgefäße für ca. 30 Tiere zur Verfügung. Was wir vorfanden waren Tiere in schlechter körperlicher Verfassung: zum Teil stark verfettet, zum Teil extrem abgemagert. Von der Futterqualität abgesehen, konnten sich die rangniederen Tiere an den Futterstellen nicht gegen die Dominanten behaupten.

Weiter zeigten Blutanalysen erhebliche Mineralstoffmängel (Zink, Kupfer, Calzium) und auch Vitaminmangel.

Um die Ernährung „wiederkäuergerecht“ zu gestalten, wurde zunächst Heu und frische Luzerne als reguläres, tägliches Zufutter organisiert. Die Zuchtgruppen haben wir auf Pelletfutter, welches aus Deutschland importiert wird, umgestellt. Die „Männergruppe“ wird weiterhin, aus Kostengründen „traditionell“ gefüttert, allerdings werden speziell angemischte Mineral- / Vitaminmischungen,  dem Futter zugefügt. Heu steht ad libitum zur Verfügung und auch Grünfutter wird täglich gereicht. Entsprechend der Gruppengrößen ist auch die Anzahl der Futtergefäße erhöht worden. Das Resultat: alle Tiere  sind in sehr guter Kondition, geringe Jungtiersterblichkeit.

4.Management: Es existierte kein Tierbestandsmanagement.

Um Daten erfassen und verwalten zukönnen, haben wir zunächst ein, auf unsere Situation zugeschnittenes, Computerprogramm eingeführt. Alle Tiere konnten nun erfasst werden. Jedes Tier, welches von dem Zeitpunkt an in die Hand genommen wurde, bekam eine individuelle Ohrkerben Markierung, die nach einem bestimmten Schlüsselprinzip gelesen werden kann.

Als weiteren Beitrag zum Zuchtmanagement sei noch der Bockaustausch erwähnt, den wir, um die genetische Diversität zu erhalten, jährlich durchführen.

5.Medizinische Betreuung: eine regelmäßige tierärztliche Bestandsbetreuung existierte nicht. Wir fanden Tiere mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern vor : Parasitenbefall,   Kalzium / Phosphor Defizite, zu lange Klauen und chronische  Atemwegsinfektionen. Etliche Tiere wiesen falsch zusammengewachsene Gliedmassenfrakturen auf. Durch die bereits erwähnte, schlechte Gehegebegrenzung waren schwerwiegende Verletzungen an der Tagesordnung. Nicht nur Knochenbrüche, auch der Verlust ganzer Gliedmassen kam vor.

Um überhaupt Behandlungen durchführen zu können, musste zunächst erst einmal eine Narkoseform entwickelt werden. Wir entschieden uns für die Hellabrunnermischung (1ml = 125mg Xylazin +100mg Ketamin) mit folgenden Dosierungen: adulte weibliche Tiere: 1ml adulte männliche Tiere: 1,2-1,3ml.

Während der Narkose wurde Blut für Serumkontrollen genommen. Besonders problematisch zeigte sich in der Vergangenheit das Kalzium / Phosphor Verhältnis. Die meisten Tiere  zeigten einen Kalziummangel und einen  Phosporüberschuß, aufgrund der  Kleiefütterung ( interessant, da wir uns in einem Phosphormangelgebiet befinden). Heute setzen wir eine speziell hergestellte Mineral / Vitaminmischung täglich dem Futter zu. Sie enthält einen sehr hohen Kalziumgehalt. Zusätzlich haben wir den Kleieanteil im Futter reduzierten.

Geimpft wird einmal jährlich mit einer achtfachen Maul und Klauenseuche-Vaccine   von Intervet,  da MKS auf der Arabischen Halbinsel endemisch ist. Mit dem Clostridiumtoxin Impfstoff Covexan 8 von Essex beugen wir Clostridiuminfektionen vor. Als Impfdosis wurden Schafdosierungen gewählt.

Die Kotuntersuchung brachte eine Reihe von Nematodeneier zu Tage, wie: Nematodirus, Trichostrongylus, Trichuris, Strongyloides ssp. und Paramphistomun. Neben oralen Antiparasitenbehandlungen mit Fenbendazol setzten wir auch individuell verabreichte Avermectinpräparate ein.

Bei allen Tieren in Narkose wird das Gewicht genommen. Weibliche Tiere wiegen im Durchschnitt 14-16kg, männliche Tiere 17-23kg.  Die Immobilisation heben wir mit 2ml  Antisedan(Pfizer), intramuskulär, pro gegebene 1ml Hellabrunnermischung wieder auf. Die Tiere zeigen innerhalb 5-10 Minuten wieder normales Verhalten ohne Anzeichen einer Immobilisation. Auch mit „Rebounds“ haben wir keine Probleme.

Im Gegensatz zur Vergangenheit werden heute auch Geburtshilfe und  fachgerechte Wundversorgung gewährleistet. Was aber äußerst selten geworden ist, aufgrund der verbesserten Haltungsbedingungen.

Bei jedem toten Tier wird eine Sektion durchgeführt, was zum Teil interessante Ergebnisse zu Tage fördert, z.B. chronische Lungenentzündung mit Pleuraverklebung, aber auch Rückenfrakturen. In der Anfangszeit hatten wir häufig Bezoare, Plastik und andere Fremdkörper in den Mägen gefunden. Auch die Pansenzotten zeigen heute wieder ein wiederkäuertypisches Erscheinungsbild.

Der Neugeborenenbehandlung wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Von den anfänglichen ADE und Antibiotika Injektionen haben wir inzwischen abgesehen und sind auf vorwiegend orale Ersttagsbehandlung umgestiegen, die sich wie folgt zusammensetzt:  Bestandsspezifisch E-coli-Prophylaxe,  Vitaminbooster („Bio-Weyxin 700K“ von Veyx), Nabelkontrolle, Gewichtserfassung (normale Geburtsgewichte liegen zwischen 1,5 und 2,2 kg), Ohrkerben zur Identifizierung. In kritischen Fällen wird der Blutglucosewert ebenfalls bestimmt, um eine Aussage über Kolostriumaufnahme machen zu können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit dem von uns erarbeiteten Programm die Qualität und auch die Quantität unseres Rheemgazellenbestandes erheblich gesteigert werden konnte. So hat sich die Zahl der Tiere im Jahre 2001 von 38 Tieren um 63% auf 60 Individuen erhöht. Der Prozentsatz der Jungtiersterblichkeit hat sich um 81 % verringert. Tote Tiere oder Verletzungen aufgrund von Kämpfen gab es nicht mehr. Obwohl die vorgefundene Haltung sehr viele Defizite aufwies sollte man die sehr positiven Wirkung der klimatischen Verhältnisse auf die Tiere nicht vergessen.

Nur eines stimmt uns ein wenig traurig:  bei den diesjährig geborenen Jungtieren handelt es sich in 72 % der Fälle um Böcke, doch wer kennt das nicht!

Anschrift der Verfasser:

Dr. Sven Hammer und Catrin Hammer, Al Wabra Wildlife Preservation,

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