15. Intravenous application HB mixture 2002

Intravenus application of the „Hellabrunner Mix“ during maximal excitement of gazelles), Arbeitstagung der Zootierärzte im deutschsprachigen Raum, München, 2002

Intravenöse Applikation der “Hellabrunner Mischung” im Stadium höchster Erregung bei Gazellen

Sven und Catrin Hammer Al Wabra Wildlife Preservation

Wie kamen wir auf die Idee dieser etwas ungewöhnlichen Handhabung der „Hellabrunner Mischung“?

Aufgrund der  Problematik, dass wir regelmäßig aus Gründen des Zuchtmanagements große Anzahlen von Gazellen behandeln und umsetzen müssen (Al Wabra beherbergt zur Zeit ca. 1200 Gazellen in 14 Spezies), suchten wir nach einer Standardmethode, mit der wir schnell und sicher viele Gazellen anästhesieren können.

Warum keine Distanzimmobilisation?

Die Situation  in Al Wabra lässt, aufgrund der oft ungeschickten Gehegestrukturen, den sehr weiten Distanzen und der sehr nervösen Tieren,  Distanzimmobilisation nicht  immer zu. Auch ist die intramuskuläre  Wirkung der Anästhetika bei gestressten Tieren oft unzureichend.

Die traditionelle und früher einzige Tierfangmethode in Al Wabra, der Fang mit Netzen, macht, aufgrund des Stresses, der unter anderem durch ein langwierige Befreien der Tiere  aus dem Netz hervorgerufen wird, veterinärmedizinische Behandlungen oft schwer durchführbar. Diese Nachteile stehen aber Vorteilen gegenüber, die wir für unsere Situation nutzen wollten. Der Netzfang ist schnell, benötigt nahezu keine Vorbereitung, ist in fast jeder Gehegeform durchführbar und birgt wegen der Sandböden in unserer Einrichtung wenig Verletzungsrisiken.

Wir kombinierten die Vorteile des Netzfanges mit denen der Anästhesie und arbeiteten eine Standardformel aus, die wir bis dato an mehr als 50 Tieren angewendet haben.

Bei dieser Standardformel wird jeweils 0.5ml „Hellabrunner Mischung“ im Schuss i.v. in die Vene Jugularis appliziert. Diese Form der Anästhesie haben wir bislang bei folgenden Spezies angewendet: Gazella gazella ssp., Gazella bennettii, Gazella spekei, Gazella subgutturosa marica. Die so anästhesierten Tiere wiesen Körpergewichte zwischen 7 und 15 kg auf. Zur Aufhebung verwenden wir 0.8ml Antisedan®(Atipamazol 5mg/ml). Es wird zu gleichen Anteilen   intramuskulär und subkutan injiziert .

Zur Durchführung: Beim Netzfang ist darauf zu achten, dass das Netz (wir verwenden ein weiches, aber stabiles  Fischnetz aus Nylon, mit einer Maschenweite von 6×6 cm) nur locker aufgehängt wird. Das Tier soll nicht gegen eine Wand rennen, sondern soll in das Netz hineinlaufen und dieses mit sich ziehen. Als Folge verheddert sich das Tier und kann leicht gegriffen und fixiert werden. Ist das Tier gegriffen wird ihm zunächst von einem Helfer die Augen zugehalten, unmittelbar darauf wird das Anästhetikum i.v. injiziert. Das, bei Bewusstsein erheblich stressende “Entheddern”, erfolgt während der  Anästhesie. Für den gesamten Anästhesiezeitraum bleiben die Augen mit einem Tuch verdeckt.

Bei 14 Tieren wurde ein intensives Anästhesiemonitoring durchgeführt, um die Sicherheit der i.v. Applikation im Stadium höchster Erregung besser beurteilen zu können. Die Ergebnisse waren wie folgt:

 In den ersten 25 Minuten nach Applikation des Anästhetikums fiel die mittlere  Herzschlagfrequenz  von 83 auf 61 Schläge pro Minute. Die durchschnittliche  Atmungsfrequenz fiel von 32 auf 23 pro Minute. Die mittlere periphere Sauerstoffsättigung stieg zunächst von 89% auf 92 % und fiel dann wieder ab auf 88 %. Gemessen wurde mit einem Pulsoxymeter an der Zunge. Sämtliche Daten wurde alle 5 Minuten erhoben. Allerdings war es nicht zu jeder Zeit möglich Pulsoxymeterdaten zu erheben. Es ist überhaupt fraglich in wie weit die periphere Sauerstoffsättigung dem exakten Sauerstoffpartialdruck im Blut entspricht.

Die durchschnittlichen Anästhesiezeiten lagen in der Einleitungsphase bei 1 Minute, die Toleranzphase erstreckte sich im Durchschnitt über 37 Minuten und in der  Aufwachphase standen die Tiere zumeist nach 5 Minuten wieder.

In fünf, der 52 von uns auf die geschilderte Weise durchgeführten Narkosen, kam es zu Problemen: In 2 Fällen traten Regurgitationen auf. Diese konnten durch Kopf-tiefer-legen und Flüssigkeitsabsaugung leicht behoben werden. In einem Fall kam es zu einer verlängerten Aufwachphase. Dieses Tier hatte, wie die Blutbefunde zeigten, einen Leberschaden. In 2 weiteren Fällen verendeten die Tiere, aufgrund schwerer       Lungenentzündungen. In einigen Fällen trat nach 2 Stunden ein leichter Rebound auf, der nicht behandelt wurde.

Die Vorteile der Netz+Anästhesie-Immobilisation sind: das Anästhetikum ist leicht verfügbar, teilantagonisierbar, hat eine kurze Einleitungsphase, ist schnell ohne große Vorbereitung durchführbar, hat eine große therapeutische Breite, die Anästhesiequalität und –dauer ist ausreichend, sie hat eine exzitationsfreie Aufwachphase, klinisch keine Auswirkung auf Vitalfunktionen und benötigt keine Nahrungskarenz.

Die Kombination aus Netzfang und Narkose hat sich in Al Wabra als schnelle und effektive Fangmethode etabliert. Unseren Erfahrungen nach eignet sich die “Hellabrunner Mischung” auch im Stadium höchster Erregung als sichere Anästhesie bei Gazellen.

Anschrift der Verfasser:

Dr.Sven Hammer und Catrin Hammer, Al Wabra Wildlife Preservation,
P.O. Box 7935, Doha, State of Qatar,

« Prev
Next »