29. Paradiesvogel 2003

Haltung und Zucht von Paradiesvögeln in Al Wabra Wildlife Preservation – Katar

Von Simon Bruslund Jensen und Catrin Hammer

Die Vogelkollektion von Scheich Saoud Bin Mohammed Al Thani ist mit derzeit etwa 520 Individuen, vertreten in 63 verschiedenen Arten und Unterarten eine der exklusivsten weltweit.

Al Wabra Wildlife Preservation ist ein privates Zuchtzentrum für bedrohte Tierarten im Herzen des Golfemirates Katar. Auf einer Fläche von 2,5 km² werden insgesamt über 2200 Wildtiere in 110 verschiedenen Spezies gehalten und erfolgreich gezüchtet. Schwerpunkte stellen neben den Paradiesvögeln: Blaue Aras, Schwarze Kakadus, Gazellen, Antilopen, Wildesel und arabische Feliden.

Einführung:

Die Paradiesvögel ist eine 42 Mitglieder umfassende Vogelfamilie, die hauptsächlich in Neu Guinea, aber auch auf den umliegenden Inseln und im Norden Australiens vorkommt. Es sind mittel- bis große Singvögel, die oft mit Rabenvögeln- oder die kleineren Arten, mit Staren verglichen werden. Der Vergleich mag gerechtfertigt sein durch den Körperbau, wie z.B. Beine oder Schnäbel, nicht aber wenn man das  außergewöhnliche Gefieder und die auffallenden Farben betrachtet. Schon immer rankten sich Mythen und Geschichten um den Paradiesvogel und tatsächlich ist noch immer sehr wenig über ihre Ökologie und ihr Verhalten bekannt. Bei vielen Arten hat man bis heute noch kein Nest, Ei, oder  Jungvogel gesehen und erst vor kurzem ist die komplizierte Balz einiger Arten beschrieben worden.

Paradiesvögel gelten als eine wahre Herausforderung, was Gefangenschaftshaltung – und hier vor allem die Zucht betrifft. Grund dafür sind die besonderen Futteransprüche und die sehr komplexe Sozialstruktur der einzelnen Arten. Die meisten Spezies sind hauptsächlich Fruchtfresser, verschmähen aber auch tierische Kost, wie Insekten und kleine Wirbeltiere nicht.

Einige Arten sind monogam, doch die Mehrzahl der Paradiesvögel lebt solitär oder geht in kleinen Gruppen auf Futtersuche. Das Brutgeschäft übernimmt ganz allein das Weibchen. Männliche Tiere stellen ein Risiko für Eier und Jungvögel dar, denn sie würden nicht zögern diese zu fressen. Aus diesem Grund sollten Paradiesvögel in Gefangenschaft einzeln gehalten werden, was allerdings nur begrenzt praktikabel ist, möchte man züchten. Bei einigen Vertretern der Paradiesvögeln versammeln sich die Männchen in kleinen Gruppen, an besonderen Balzplätzen, den sogenannten „Leks“ zu einem atemberaubenden Balzspektakel, bei dem sich die Vögel in einem unvergleichbaren Spiel von Farben, phantasievollen Gebärden und Rufen fast in Trance bringen. Mit den lauten Werbungsrufen und den komplexen Balztänzen versuchen sie die Aufmerksamkeit vorbeikommender Weibchen auf sich zu ziehen.

Andere Vertreter der Paradiesvogelfamilie z.B. der Fadenhopf, balzen unabhängig. Sie leben in Territorien, die sich mit denen von mehren Weibchen überlappen.

In Gefangenschaft müssen für eine erfolgreiche Zucht nicht nur Volierengröße- und  Struktur auf die jeweilige Lebensweise der einzelnen Arten abgestimmt werden, auch der richtige Zeitpunkt zum Zusammenlassen und auch wieder zum Trennen der Vögel muss genau abgepasst werden.

Paradiesvögel in Al Wabra Wildlife Preservation

Zur Zeit werden 6 verschiedene Paradiesvogelarten, eine davon in 2 Unterarten,  in Al Wabra gehalten. Die Tiere sind dort 1999 und 2001 angekommen. Die Mehrzahl der Tiere war zum Ankunftszeitpunkt dem Phänotyp nach weiblich. DNA Analysen zur Geschlechtsbestimmung haben sich in dem Zusammenhang als sehr effektiv erwiesen, denn nur so konnten wir relativ schnell das Geschlecht der Vögel bestimmen. Ihre „wahren“ Farben, haben die Paradiesvögel erst recht spät gezeigt. Einige männliche Vögel, die erwiesenermaßen älter als  4 Jahre sind, sind  bis heute  noch nicht in ihr  Erwachsenengefieder gemausert.

 

Tabelle1

 

Nach einer Serie unbefruchteter Eier, konnten wir  im Jahr 2002  den 1. Zuchterfolg bei Paradiesvögeln in Al Wabra’s Zuchtstation verzeichnen. Küken sowohl des Großen-, als auch des Königsparadiesvogels konnten erfolgreich in der Vogelaufzuchtsstation handaufgezogen werden. Insgesamt wurden 2 unverwandten Große Paradiesvögel und 4 Königsparadiesvögel aus 2 verschiedenen Zuchtlinien aufgezogen. Die angewandte Aufzuchtsmethode basiert auf den Erfahrungen über die Aufzucht nahe verwandter Arten, die vom San Diego Zoo und von der Wildlife Conservation Society – New York publiziert wurden und uns vorlagen. Sehr viele Daten wurden gesammelt, um eine genaue Aufzuchtsdokumentation zu erhalten.

Der Königs- und der Grosse Paradiesvogel, repräsentieren sowohl den kleinsten, als auch den größten Vertreter ihrer Familie. Ihre Haltungsansprüche differieren, trotz interessanter Parallelen erheblich. Umfassende Artikel zu den angewandten Handaufzuchtsmethoden,  sind zur Zeit in Arbeit. Nach unserem Wissen  handelt sich bei den von uns aufgezogenen Vögeln, um die ersten erfolgreichen Handaufzuchten bei diesen Spezies. Bei beiden Arten ist jeweils nur ein Naturbruterfolg bekannt. Der Königsparadiesvogel wurde das 1. Mal erfolgreich von Sten Bergmann 1956 in  Schweden erbrütet. Seitdem gibt es keine Meldungen mehr über  weitere Aufzuchtserfolge. Ein Großer Paradiesvogel wurde 2001 erfolgreich im Vogelpark Walsrode nachgezogen (dieser wurde seinerzeit vom Autor betreut).

 

Bebrütung:

Während der künstlichen Bebrütung der Paradiesvogeleier in AWWP wurden Daten gesammelt, um die Schlupfrate zu verbessern. Bei den  Königsparadiesvögeln haben wir Eier direkt nach dem Legen und kurz vor dem Schlupf gewogen. Mit dieser Methode konnten wir den prozentualen Gewichtsverlust während der Bebrütung ermitteln. Dieser Wert erleichterte uns die  ideale Luftfeuchtigkeit im Inkubator einzustellen. Ist der tägliche Gewichtsverlust geringer als erwartet, dann ist davon auszugehen, dass die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist, umgekehrt verhält es sich genauso. Wir fanden ebenfalls heraus, dass wir die besten Schlupfergebnisse mit einer relativ hohen Bruttemperatur erzielten, was allerdings bei den meisten Singvogelarten der Fall ist. Die Eier wurden 10 bis 14 Mal am Tag gewendet, bis zu acht Mal durch das automatische Wendesystem des Inkubators, die übrigen Male manuell. Wir erzielten die besten Ergebnisse mit einem irregulären Wenden der Eier, wodurch auch vermieden wurde, dass das Ei nachts immer auf der selben Seite ruhte.  Interessant sind  sicherlich die Länge der Brutzeiten von Königs- und Großem Paradiesvogel. Trotz des signifikanten Größenunterschiedes ist die Brutdauer nahezu gleich.

 

Tabelle2

 

Handaufzucht:

Der Schlupf hat sich in den meisten Fällen relativ lange hingezogen. Die Zeiträume lagen zwischen 12-46 Stunden, im Schnitt 29,5 Stunden. Unterstützend eingegriffen haben wir bei Küken, die offensichtlich Schlupfprobleme hatten. Wenn  36 Stunden  nach den ersten Schlupfanzeichen kein Fortschritt zu erkennen war, entfernten wir  vorsichtig einige Schalenstückchen um das bereits angepickte Loch.

Hat das Küken das Ei angepickt, wurde das Wenden sofort unterbrochen und das Ei in den Schlupfbrüter transferiert. Die Temperatur lag hier bei 37.5 ºC , die relative Luftfeuchtigkeit bei etwa 80%. Während des Schlupfes und in den ersten Lebenstagen ist die Temperatur sehr wichtig. Liegt sie nur etwas unter dem angegebenen Wert, reagiert das Küken nicht auf Fütterungsstimulation. Die Luftfeuchtigkeit kann allerdings direkt nach dem Schlupf auf 65-70% abgesenkt werden.

Etwa 12 bis 20 Stunden nach dem Schlupf wurde das 1. Mal Futter angeboten. Pro Fütterung  werden in den 1. Lebenstagen nicht mehr als 1bis 2 Stückchen proteinreichen Futters, wie Heuschreckenabdomen oder Organe junger Ratten gefüttert. Restriktives Füttern ist essentiell bis der Dottersack  absorbiert und nicht mehr durch die Haut der Bauchdecke sichtbar ist. Um besonders in dieser sensiblen Phase Dehydration zu vermeiden ist die Zuführung von Wasser essentiell. Alle paar Stunden wurden dem Küken  2 Tropfen Wasser plus Ringer-Lactat® im Mischungsverhältnis 1:1 verabreicht.

Einige Lebenstage später haben wir dann auf eine „ad Libitum“ Fütterung umgestellt. In schnabelgerechten Stücken erhielt das Küken dann soviel, wie es freiwillig aufnahm. Wir haben Organe und Muskelfleisch von neugeborenen Ratten und Mäusen, weiße ( frisch gehäutete) Mehlwürmer, Heuschreckenbäuche, weiche Papaya, Birne, Mango und Weintrauben angeboten.

Die erste Woche machten Ratten und Insekten den größeren Anteil der Nahrung aus. Nach und nach wurde der Obstanteil angehoben, bis dieser bei Verlassen des Nestes etwa die Hälfte der Nahrung ausmachte. In den folgenden Monaten wurde der animalische Anteil der Nahrung stetig verringert, bis ab 3-4 Monaten nur noch gelegentlich Mehlwürmer angeboten  werden. Noch immer begann jede Fütterung routinemäßig mit der Verabreichung von  0,1-0,6 ml Wasser, welches mit Hilfe einer kleinen Spritze direkt in den Schnabel verabreicht wurde.

Die Temperatur in dem Aufzuchtsbrüter wurde  täglich etwas abgesenkt, bis sie beim Flügge werden der Küken bei 30-31 Grad lagen. Einige Tage später verträgt das Küken auch tiefere Temperaturen, allerdings sind junge Paradiesvögel sehr empfindlich gegenüber großen Temperaturschwankungen.

 

Paradiesvögel haben sehr große Füße und das gilt auch schon für Küken. Es ist deshalb sehr wichtig  den Jungvögeln eine Nistunterlage anzubieten, die es ihnen erlaubt zu Greifen und sich festzuhalten, was ihre natürliche Entwicklung fördert. Entsprechendes Material sollte nach dem 2. Tag angeboten werden. In der Vergangenheit haben wir zu diesem Zweck Heu verwendet, sind aber inzwischen auf Filtermattenstücke umgestiegen, die auch  San Diego Zoo für diese Zwecke verwendet .Filtermatten sind hygienischer und nach entsprechender Reinigung auch wiederverwendbar.

Zur Dokumentation ihrer Entwicklung wurden unsere Paradiesvogelküken jeden Morgen gewogen. Nach etwa 27- 30 Tagen werden die Küken sehr aktiv, was das Wiegen ohne Fang stark erschwert. Aus dem Grund wurden sie dann nur noch in Ausnahmefällen, zum Gesundheitsheck z.B.,  gewogen.

Königsparadiesvögel verlassen das Nest nach 16-17 Tagen, die Großen Paradiesvögel nach 18 Tagen.

 

Tabelle 3,4,5

 

Zukunftsziele der Haltung von Paradiesvögeln in Al Wabra Wildlife Preservation:

Unseren Erfahrungen zu Folge sind Paradiesvögel während des Brutgeschäftes sehr störanfällig. Aus dem Grund gehen unsere Bemühungen in die Richtung den Tieren trotz notwendiger und wichtiger Kontrollen eine größtmögliche Privatsphäre zu bieten. Endziel ist es zu den Handaufzuchten, auch eines Tages erfolgreiche Naturbruten verzeichnen zu können. Dieses ist wichtig, um das natürliche Verhalten der Vögel zu stimulieren und um eines Tages Vergleiche über  mögliche Unterschiede in Verhalten und Entwicklung von handaufgezogenen und  elternaufgezogenen Paradiesvögeln ziehen zu können. Dieses ist ein sehr anspruchsvolles Ziel, denn Paradiesvögel sind dafür bekannt, dass sie Nester und Gelege zerstören und auch Küken töten. Vorrangig sind es die Hähne, doch dieses Phänomen kennt man auch von Weibchen, meist ist es ein Frustrationsverhalten, hervorgerufen durch unterschiedlichste Arten von Störungen.

Den richtigen Zeitpunkt zum Eingreifen zu finden erfordert viel Erfahrung, Geduld, Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen. Zur Veranschaulichung seien hier zwei Beispiele genannt:

  1. Paradiesvogelweibchen 1 sitzt den ganzen Tag fest auf ihrem Nest. Am späten Nachmittag wird das Nest kontrolliert, es ist noch kein Ei da. Am nächsten Tag findet der Pfleger ein zerstörtes Nest und ein zerbrochenes Ei vor.

Fehler: zu frühes Kontrollieren des Nestes.

 

  1. Paradiesvogelweibchen 2 sitzt ebenfalls den ganzen Tag auf dem Nest, um den Fehler zu vermeiden, der bei 1 gemacht wurde, wartete man hier bis zum nächsten Tag. Resultat war allerdings das Gleiche: wieder ein zerstörtes Nest und ein kaputtes Ei. Diesmal war es das  Männchen, welches Nest und Ei zerstörte.

Fehler: zu spätes  Einschreiten. Entweder hätte der Hahn früher abgesperrt werden sollen,                                                                  oder das  Nest  hätte  hier  früher  kontrolliert  werden  müssen

 

Diese 2 Beispiele zeigen auch, dass noch sehr viel Forschungsarbeit, vor allem in dem Bereich Fortpflanzungsverhalten zu leisten ist. In Al Wabra sollen für eine bessere und störungsfreiere Beobachtung, bewegliche Überwachungskameras in den Volieren installiert werden.

Die Haltung einer großen Anzahl von Paradiesvögeln in kontrollierter  Umgebung liefert  noch weitere Forschungsansätze: so arbeit Al Wabra an einem Langzeitprojekt, welches sich mit dem Zusammenhang von Geschlechtsreife und  dem Zeitpunkt der Entwicklung des Prachtgefieders befasst. Offensichtlich sind die Zusammenhänge doch nicht so klar, wie bislang angenommen.

Weitere Studien befassen sich mit der Ernährung, den artspezifischen Ansprüchen und mit ernährungsbedingten Krankheiten, wie der „Eisenspeicherkrankheit“. Diese Krankheit ist ein weitverbreitetes Problem, nicht nur in der Haltung von Paradiesvögeln, auch bei anderen   tropischen, fruchtfressenden Arten ist diese Problematik bekannt. Über Ursache und Therapien und Prophylaxe wird viel spekuliert, doch gibt es bislang noch keine Lösungen.

Eines unserer kleinen, aber doch, so hoffen wir, effektiven Ziele ist es, bei Besuchern mit Hilfe eines handaufgezogenen zahmen  Paradiesvogels, einem sogenannten „Botschaftervogel“, für ein besseres Verständnis dieser wundervollen Kreaturen zu werben. Dieser Vogel soll stellvertretend für die Paradiesvogelfamilie nicht nur auf seine interessante Lebensweise und seine phantastischen Balztänze aufmerksam machen, auch soll er informieren über seine Ansprüche und  über die unterschiedlichen Arten von Bedrohung denen diese Vögel ausgesetzt sind.

Denn Paradiesvögel sind auch heute noch eines der wenigen kaum erforschten Naturwunder dieser Welt..

 

Literatur:

Frith, C.B. and Beehler, B.M. (1998): The Birds of Paradise Oxford University Press

 

Rimlinger, D. (1984): Empress of Germanys Bird of Paradise ZOONOOZ Feb. 1984: 11-14

 

Hundgen, K.H. (1988): Propagation techniques for Birds of Paradise at the New York Zoological park AAZPA 1988 annual proceedings: 14-20

 

Hundgen, K.H. (1991): Management and breeding of the Red Bird of Paradise at the New York Zoological Park International Zoo Yearbook 30: 192-199

 

Bergman, S. (1957): On the Display and Breeding of the King Bird of Paradise in Captivity, Avicultural Magazine 63: 115-124

 

 

Anschrift der Autoren, Simon Bruslund Jensen, Vogelkurator, Al Wabra Wildlife Preservation, P.O. Box 7935, Al Wabra, Doha, State of Qatar,

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