45. Spix Chick Inhalation 2005

25. Arbeitstagung der Zooterarzte im deutschsprachigen Raum, Nov 4-6, 2005

Inhalationstherapie bei handaufgezogenen Spix Ara (Cyanopsitta spixii) Küken nach Aspirationspmeumonie

Sven Hammer und Simon Jensen, Al Wabra Wildlife Preservation (AWWP), Qatar

Der Spix’s Ara (Cyanopsitta spixii) ist einer der seltensten und stark bedrohtesten Papageienspezies überhaupt. Er gilt seit 2000 in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet der Bahia Region in Brasilien als ausgestorben. Derzeit sind nur noch ca. 70 lebende Exemplare in Gefangenschaft bekannt. Davon befinden sich momentan 42 Vögel, inklusive 5 AWWP-handaufgezogener Nachzuchten (2004-2005), im Besitz von Sheikh Saoud Mod Bin Ali Al-Thani. Es gibt virusbedingte Krankheitsfälle (APV, PDD, AHV) in der Spix’s Ara Population in Qatar, die durch ein umfangreiches Gesundheitsprogramm und entsprechende Prophylaxemaßnahmen behandelt werden. Aufgrund dieser Krankheitsprophylaxe wurden bis jetzt alle in AWWP geschlüpften Spix’s Ara Küken erfolgreich mit der Hand aufgezogen. Inhalationstherapie bei Papageien im allgemeinen ist nichts Neues, aber in der Zootiermedizin eine doch seltener angewandte Therapieform. Dieser Beitrag soll die einfache und kostengünstige Anwendung und vor allem die nebenwirkungsfreie Medikamentenwahl hervorheben. Der folgende Fallbericht veranschaulicht die Inhalation als Aspirationstherapie bei zwei Spix Ara Küken.

Die Schlupfdaten und Gewichte der Spix Küken mit den Identifizierungsnummern 5158 und 5170 lagen mit 14.96g und 13.23g im Normbereich. Weiterhin zeigten sie eine unauffällige Entwicklung und Verhalten bis zum 10.(5158) und 20.(5170) Lebenstag. Dann traten jedoch nach den Fütterungen vermehrt Regurgitationen für ca. 4 bis 5 Wochen auf. Trotz der Auffälligkeiten konnte eine gleichbleibende Gewichtsentwicklung registriert werden. Ohne näher die Ursachen der chronischen Regurgitationen zu erläutern, möchte ich kurz retrospektiv vier mögliche Gründe dafür anführen: 1.) Die metallenen Futtersonden waren zu hart und könnten so zu Reizungen des Oesophagus geführt haben. 2.)Auch ein zu häufiges Füttern pro Tag resultierend in einer erhöhten Reizung des Kropfes könnte chronische Regurgitationen provoziert haben. 3.) Die Regurgitation war verhaltensbedingt, also ein Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Eine Bestätigung hierfür wäre das zeitgleich auftretende identische Verhalten (Regurgitation) beider Küken trotz unterschiedlichen Alters. Hinzu kommt, daß zu keiner Zeit mikrobiologisch pathogene Keime aus regelmäßig gewonnenen Kropf- und Kloakalabstrichen nachgewiesen wurden. 4.) Möglicherweise war auch der Fettgehalt im Futterbrei zu hoch. Wahrscheinlich ist, daß eine Kombination mehrerer Faktoren Ursache für das beschriebene Verhalten war. Das chronische Regurgitieren stoppte nachdem die Tiere anfingen feste Nahrung aufzunehmen.

Infolge der chronischen Regurgitation kam es zu einer Aspirationspneumonie bei beiden Küken, welche mit der Inhalationstherapie erfolgreich behandelt werden konnte.

Die Krankengeschichte von Küken 5170 stellte sich wie folgt dar: Am 25. Lebenstag (LT) wurde erstmals Regurgitation nach der Sondenfütterung beobachtet. Eine Kropfspülung wurde durchgeführt, am 26. LT trat keine Verbesserung der Symptome ein. Daraufhin wurde nach anfänglicher zweitägiger parenteraler Enrofloxacintherapie eine zehntägige orale Enrofloxacin- und Nystatintherapie begonnen, ohne Erfolg. Am 38. LT kam es zur Aspiration von Futterbrei, der aber offensichtlich wieder abgehustet werden konnte. Auskultatorisch blieben Bronchitissymptome und eine klinisch forcierte Atmung. Daraufhin wurde mit einer Inhalationstherapie für 18 Tage begonnen. Zu dem Zeitpunkt wurde das Regurgitieren größtenteils manuell durch Zuhalten des Oesophagus unmittelbar nach der Fütterung unterbunden. Am 58. LT zeigte der Vogel eine normale Atmung, das Regurgitieren hatte aufgehört und der Vogel nahm selbständig Nahrung auf.

Das Krankheitsbild von Küken 5158 verlief ähnlich, allerdings trat hier ein „klickendes“ Respirationsgeräusch bereits am 10. LT auf. Nach einer beobachteten Aspiration von Futterbrei am 29. LT, zeigte sich die gleiche Symptomatik wie schon bei Küken 5170. Aus dem Grunde wurde mit der oben bereits erwähnten Inhalationstherapie, ebenfalls für 18 Tage begonnen.

Die Inhalation wurde mit Hilfe eines konventionellen Inhalationsgerätes oder Verneblers aus der Humanmedizin durchgeführt (in unserem Fall von der Firma FLAEM, Via Colli Storici, 221,223,225, 25010 S. Martino, Della battaglia, Italy, Geraetetyp: Nuova Mondial). Grundsätzlich ist darauf zu achten, daß der eingesetzte Vernebler (Investitionskosten ca.:125.-Euro) folgende technischen Eigenschaften aufweißt:

– es sollte ein Kaltvernebler (Luftkompressor oder Ultraschall) sein

– die Verneblereinheit sollte abnehmbar sein um mittels Schlauch an den Käfig oder die Inhalationsbox angeschlossen werden zu können

– eine Tröpfchengröße < 1 µm sollte erreicht werden (zur Gewährleistung einer ausreichenden Verteilung in den Lungen und Luftsäcken)

– die Vernebelungsdüse sollte nicht aus Metall sein um Medikamentenreaktionen zuverhindern.

– die Verneblereinheit sollte leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein

– eine permanente Betriebszeit von > 15 min sollte gewährleitset sein.

– die Flüssigkeitskammer sollte 7-10ml aufnehmen können

– die Flüssigkeitsverneblung pro Minute soll bei 0,4ml/min liegen

– es hat sich gezeigt, das eine zweite Verneblereinheit auf Vorrat beim häufigen Einsatz von Nutzen sein kann (geringe Investition)

Beim Inhalationsregime haben wir uns anfänglich für 2 x täglich á 15 min für 10 Tage und anschließend, nach Abklang der Symptome für weitere 8 Tage; 1 x täglich á 15 min zur Prävention entschlossen. Die Inhalation wurde jeweils nach der Fütterung durchgeführt um so zusätzlich die Küken durch das Verneblergeräusch, vom Regurgitierverhalten abzulenken. Beide Vögel wurden zur Stressreduzierung zusammen im geschlossenen Inkubator behandelt. Grundsätzlich sollte beim Inhalationsregime folgendes beachtet werden:

– Zur Beruhigung der Tiere ist ein abgeschlossener, verdunkelter Raum (Inkubator, Transportbox oder abgehängter Käfig) zu wählen.

– die Luftbewegung während der Behandlung sollte so gering wie möglich gehalten warden

– der Patient sollte dicht an der Verneblerdüse sitzen

– eine Inhalationsdauer von 15-20 Minuten sollte gewährleistet sein

– je nach Schweregrad der Symptome und Wirkweise des Medikaments kann bis zu viermal täglich inhaliert werden.

– eine Behandlungsdauer von zwei bis vier Wochen sollte eingehalten werden.

Bei der Medikamentenwahl haben wir uns für folgende Medikamentenmischung entschieden: 15ml NaCl 0,9% + 1ml GENTA 5% (50mg Gentamicin) + 0,3ml IMAVEROL(30mg Enilconazol) + 2x ACC 100-RATIOPHARM (total 200mg Acetylcystein), alles zusammen homogen im Mörser verrühren und 8ml pro Verneblung verwenden. Das Antimycoticum „Enilconazol“ in der Mischung wirkt durch Hemmung der de-novo-Synthese vom Ergostol, einem Membranlipid der Pilze, weiterhin wird die Aufnahme von RNA- und DNA-Bausteinen gehemmt. Zusammen führt dies zu Zellmenbranschäden und so zum Zelltot. Es liegt also ein fungistatischer Wirkungstyp zu Grunde. Dies begründet auch eine langandauernde Therapie, um ausreichende Erfolge und nicht nur eine Unterdrückung einer Pilzinfektion zuerzielen. Das Wirkspektrum umfaßt eigentlich alle veterinärmedizinisch relevanten Pilze und Hefen. Resistenzen sind nicht bekannt, zum Teil werden einige gram+ Bakterien miterfaßt. Das Aminoglykosid-Antibiotica „Gentamicin“ hat Einfluß auf die Proteinsynthese der Bakterien aber es ruft auch Permeabilitätsstörungen der Zellmembran hervor und wird deshalb in die Gruppe der bakterioziten Antibiotika eingeordnet. Gentamicin ist besonders bei Pseudomonaden, Proteus E.coli, Klebsiellen aber auch bei Staphylococcus spp. zu empfehlen. Allerdings sind bei systemischer Verabreichung nephrotoxische Nebenwirkungen zu bedenken, welche bei der Inhalationstherapie umgangen werden. Als dritte Komponente in unserer Mischung haben wir Acetylcystein (ACC) gewählt. Es wirkt beim Vogel als Mukolytikum oral als auch inhalativ. Mit seiner freien SH-Gruppe ist ACC in der Lage Disulfitbrücken im Bronchialsekret zu spalten und dadurch die Viskosität des Bronchialsekrets herabzusetzen. Neben der mukolytischen Wirkung hat ACC auch eine antioxidative Eigenschaft was sich als entzündunghemmend auswirkt. Die vierte Komponente, physiologische Kochsalzlösung (NaCl 0,9%) wirkt als Trägersubstanz und versorgt zusätzlich das Atmungstraktepitel mit Flüssigkeit, was die Abheilung von Epitelschäden stimuliert. Als Alternative zur systemischen Medikamentenapplikation ist die Inhalationstherapie besonders wegen des Einsatzes von Medikamenten lokal im Atmungstrakt hervorzuheben. Das Fehlen von systemischen Nebenwirkungen eröffnet eine große Auswahl von Medikamenten mit besserer Wirksamkeit und ausreichender Wirkstoffkonzentration im Lungengewebe als systemisch verabreichte Medikamente. Keine Nebenwirkungen von Substanzen wie Amphotericin B, Gentamicin, Polymyxin B und Tylosin bei der Inhalation wird durch die schlechte Absorption durch das Respirationsepithel begründet, was allerdings die lokale Wirkung nicht beeinträchtigt. Grundsätzlich können verschiedenste Medikamente zusammen vernebelt werden. Die Dosierungsangaben und Kompositionen stammen allerdings meist aus empirisch ermittelten Therapieerfahrungen. Manche Autoren empfehlen den Einsatz von mukolytischen Substanzen nur bei Veränderungen der oberen Atemwege, da bei Infektionen im tiefen Atmungstrakt besonders in den Luftsäcken ein verflüssigtes Bronchialsekrets nicht mehr abgehustet werden kann und eine Verschlechterung der Symptome die Folge wäre. Nachfolgend einige empirische Dosisempfehlungungen:

 

Wirkstofftyp Wirkstoff Dosis pro 10 ml phys. NaCI als Gemisch zumvernebeln
  Antibiotika  Amikacin   50 mg
 Chloramphenicol   133 mg
 Enrofloxacin   100 mg
 Erythromycin   133 mg
 Gentamicin   50 mg
 Spectinomycin   133 mg
 Tylosin   100 mg
  Antimykotika  Amphotericin B   66mg
 Enilkonazol   20 mg
 Terbinafin   10 mg
  Sekretolytika  Bromhexin   3 mg

 

Es hat sich gezeigt daß die Inhalationstherapie eine sinnvolle Alternative zur systemischen Therapie darstellt. Indikationen wie Rhinitis, Sinusitis, Trachetis, Aerosakkulitis, Bronchitis oder Pneumonien im oberen Atmungstrakt, aber auch antimykotische Prophylaxe oder Therapie sind die klassischen Einsatzmöglichkeiten, welche bei Bedarf in der Zootiermedizin genutzt werden sollten. Gerade die streßreduzierte Medikamentenapplikation durch die Inhalationstherapie ermöglicht eine einfache tägliche Behandlung. Das bedeutet weniger Stress sowohl für das Tier als auch für den Tierarzt, da die Behandlung vom Tierpfleger selbständig durchgeführt werden kann. Einer der größten Vorteile ist aber zweifelsfrei die Möglichkeit systemisch toxische Medikamente, welche normal nicht zum Einsatz kommen können, nebenwirkungsfrei erfolgreich anzuwenden.

 

Literaturangaben:

RICHIE BW, HARRISON GJ, HARRISON LR (1999): Avian Medicine: Principles and Application. HBD international, Inc, Suite 232, 220 Congress Park Drive, Delray Beach, Florida 33445, 1190.

Löscher W., UNGEMACH F.R. (Ed.), KROKER R. (2002): Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren. Parey Buchverlag, Berlin.

PEES M. (2004): Leitsymptome bei Papageien und Sittichen. Enke Verlag, Stuttgart.

 

Anschrift der Verfasser:

Dr. Sven Hammer, Al Wabra Wildlife Preservation, P.O. Box 44069, Doha, Qatar.

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